ABSTIMMUNGSTHEMA: 99% INITIATIVE

META-THEMA: SOZIALE UNGLEICHHEIT

Briefwahl bis 21.09.2021 

 

1 GRUNDSATZFRAGEN

Hinter jeder Abstimmung stecken Meta-Themen und wichtige Grundsatzfragen. Häufig werden diese nicht diskutiert, weil sie zu komplex sind oder ein zu grosses Fass aufmachen. Wir stellen sie trotzdem, weil alle politischen Entscheidungen, die wir treffen, im Grunde unbewusst oder bewusst auf der Beantwortung dieser Grundsatzfragen beruhen.

  1. Warum gibt es ein Recht auf Besitz und Eigentum? Was sind Vor-, was sind Nachteile dieses Rechts?

  2. Wie gross ist die soziale Ungleichheit in der Schweiz? Was sind die Folgen auf gesellschaftlicher und persönlicher Ebene?

  3. Sollte Geld für Menschen arbeiten können – genauer gesagt: sollte es möglich sein durch das Investment von vorhandenem Geld weitere Gewinne zu erzielen?

  4. Ist jede*r seines*ihres Glückes Schmied? Wie viel Leistung steckt in Reichtum? Wie viel Glück?

  5. Welche Funktion haben Steuern? Welchen Ruf haben Steuern? Welchen Ruf sollten sie haben?

  6. Haben unterschiedliche Tätigkeiten unterschiedlich viel Wert? 

  7. Wie würdest du dein Verhältnis zu Geld beschreiben? 

2 ABSTIMMUNGSTEXT 

Um inmitten der Argumentationsschlacht nicht die Orientierung zu verlieren, hilft es den originalen Abstimmungstext zu lesen. We promise: Der ist meist viel weniger schlimm, als man denkt. 

Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert:

Art. 127a Besteuerung von Kapitaleinkommen und Arbeitseinkommen

1 Kapitaleinkommensteile über einem durch das Gesetz festgelegten Betrag sind im Umfang von 150 Prozent steuerbar.

2 Der Mehrertrag, der sich aus der Besteuerung der Kapitaleinkommensteile nach Absatz 1 im Umfang von 150 Prozent statt 100 Prozent ergibt, ist für die Ermässigung der Besteuerung von Personen mit tiefen oder mittleren Arbeitseinkommen oder für Transferzahlungen zugunsten der sozialen Wohlfahrt einzusetzen.

3 Das Gesetz regelt die Einzelheiten.

3 GLOSSAR

Viele Missverständnisse, die uns in Gesprächen begegnen, beruhen darauf, dass wir nicht vom selben sprechen – auch wenn wir die selben Worte benutzen. Jeder von uns verbindet spontan andere Dinge mit bestimmten Begriffen, die nicht mit den gängigen Definitionen übereinstimmen müssen. Unser Glossar zeigt dir, welche Wortbedeutungen du mit deinem Gegenüber klären solltest, bevor du dich auf eine Diskussion einlässt.

Alle nachfolgenden Definitionen und Erklärungen sind (teils in gekürzter Form) aus den jeweiligen Quellen zitiert.

1% & 99%

„We are the 99 percent“ (englisch für „Wir sind die 99 Prozent“) war das Motto der Occupy-Wall-Street-Bewegung, die vom 17. September bis zum 15. November 2011 den Zuccotti Park im Finanzdistrikt der Wall Street in New York City besetzt hielt. Im Zuge der Ausbreitung der Bewegung wurde das Motto auch in anderen Teilen der Welt verwendet, teils übersetzt in die jeweilige Landessprache.

Die Rede von den 99 %, die einem Top-1-% gegenüberstehen, bezieht sich auf die Verteilung der Vermögen. Das Motto richtet sich gegen einen zu starken Einfluss der reichsten Amerikaner (1 %), die mindestens 38 % des Vermögens besitzen, auf die Politik und Gesetzgebung, deren „hemmungslose Gier“ und eine zu banken- und wirtschaftsfreundliche Politik, die dieser entgegenkommt.

Quelle: wikipedia.org

REICHTUM

Reichtum bezeichnet den Überfluss an gegenständlichen oder geistigen Werten. […] In den modernen Industriestaaten wird Reichtum häufig ausschließlich quantitativ auf Wohlstand und Lebens-standard bezogen, obwohl er sich tatsächlich nicht auf materielle Güter reduzieren lässt.

Gesellschaftlich gesehen erfordert die Entstehung von Reichtum die allgemein akzeptierte Übereinkunft, dass Dinge, Land oder Geld jemandem gehören und dass dieses Eigentum geschützt wird. So ist (bzw. war) Reichtum in egalitären Gesellschaften unbekannt. Die kulturelle Unterschiedlichkeit des Begriffes ist zum Teil Gegenstand heftiger Debatten.

Quelle: wikipedia.org

SOZIALE UNGLEICHHEIT

Soziale Ungleichheit bezeichnet in der Soziologie die ungleiche Verteilung materieller und immaterieller Ressourcen in einer Gesellschaft und die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Möglichkeiten zur Teilhabe an diesen.

Quelle: wikipedia.org

Laut Bundesamt für Statistik besitzen in der Schweiz 0.79% der Bevölkerung 40% der Vermögen gemäss in den Steuererklärungen per 31. Dezember 2017 ausgewiesenes Reinvermögen (Aktiven abzüglich Passiven, vor Berücksichtigung der Sozialabzüge).

Quelle: bfs.admin..ch

Schweizweit besassen 24.5 Prozent der Bevölkerung kein Vermögen, 55.5 Prozent eines von 1 bis 50’000 Franken. Diese tiefen Vermögen zusammen machen 1.5 Prozent des Gesamtreichtums aus.

Quelle: srf.ch

GERECHTIGKEIT

Soziale Gerechtigkeit: Bezieht sich auf gesellschaftliche Zustände, die hinsichtlich ihrer relativen Verteilung von Rechten, Möglichkeiten und Ressourcen als fair oder gerecht bezeichnet werden können. Was genau Inhalt und Maßstab dieser Form von Gerechtigkeit sei, ist aber seit jeher umstritten und vielschichtig.

Bedarfsgerechtigkeit: [Wenn] die Verteilung von Gütern oder Einkommen innerhalb einer Gesellschaft […] den Bedürfnissen der jeweiligen Gesellschaftsmitglieder entsprechen.

Leistungsgerechtigkeit: Wenn die Einkommen dem Wert der Leistung der jeweiligen Gesellschaftsmitglieder entsprechen. Wie genau sich die jeweilige Leistung bemessen lässt, ist jedoch umstritten.

Ergebnisgerechtigkeit: [Wenn] allen Mitgliedern der Gesellschaft der Nutzen aus der Gesellschaft in grundsätzlich gleichem Maße zukommt.

Quelle: wikipedia.org

ARBEITSEINKOMMEN (ERWERBSEINKOMMEN)

Umfasst die Beträge, welche [eine] Person entweder als direktes Ergebnis ihrer beruflichen Tätigkeit (…) oder aufgrund ihrer beruflichen Situation (beschäftigungsbezogene Versorgungsleistungen) erhält.

Quelle: wikipedia.org

KAPITALEINKOMMEN (RENDITE)

Kapitaleinkommen entstehen durch Zinsen, Dividenden, Einnahmen durch Miete und Pacht.

Quelle: wikipedia.org

FREIBETRAG

Ein Freibetrag  […] ist im Steuerrecht ein Betrag, der die Steuerbemessungsgrundlage mindert. Im Gegensatz zur Freigrenze müssen bei Überschreitung des Freibetrags nicht die gesamten Einkünfte versteuert werden, sondern nur der den Freibetrag übersteigende Teil der Einkünfte.

Quelle: wikipedia.org

AKTIE

Wenn ein Unternehmen neue Maschinen kaufen oder eine neue Fabrik bauen will, braucht es dafür viel Geld. Dieses Geld kann es entweder bei einer Bank leihen – oder eben Aktien verkaufen. Wer eine Aktie kauft, gibt sein Geld dem Unternehmen und erhält dafür einen Anteil an dem Unternehmen. […] Allen Aktionären zusammen gehört also das Unternehmen. […] Sie dürfen deshalb auch mitbestimmen, was in dem Unternehmen passiert, und zum Beispiel den Chef wählen. Je mehr Aktien man hat, desto mehr hat man zu sagen. […] Aktien kann man kaufen und wieder verkaufen.

Quelle: klexikon.de

DIVIDENDE

Als Dividende […] wird in der Wirtschaft meist der Teil des Gewinns, den eine Aktiengesellschaft an ihre Aktionäre ausschüttet, bezeichnet. […] Die Dividendenberechtigung ist neben dem Stimmrecht das wichtigste Recht eines Aktionärs.

Quelle: wikipedia.org

CHANCENGLEICHHEIT

Chancengleichheit bezeichnet in modernen Gesellschaften das Recht auf einen gleichen Zugang zu Lebenschancen. Dazu gehört insbesondere das Verbot von Diskriminierung beispielsweise aufgrund des Geschlechtes, des Alters, der Religion, der kulturellen Zugehörigkeit, einer Behinderung oder der sozialen Herkunft, das in den Menschenrechten festgeschrieben ist.

Während in der Natur Chancen nach statistisch beschreibbaren Regeln, per Zufall oder über die Macht des Stärkeren / Ersteren / Angepasstesten (englisch fittest) verteilt werden, werden Chancen in menschlichen Gesellschaften durch Menschen reguliert. In den Bemühungen um Chancengleichheit drückt sich das Verständnis von Gerechtigkeit als Demokratie aus. Mangelnde Chancengleichheit wird als ungerecht empfunden und kann den sozialen Frieden gefährden.

Quelle: wikipedia.org

4 HÄUFIGE DENKFEHLER

Jede Abstimmungsdebatte hat ihre eigenen Denkfehler-Lieblinge. Zum Thema «Ehe für Alle» werden uns vor allem folgende begegnen. Sowohl in unseren eigenen Köpfen, als auch in der Abstimmungs-Arena. 

5 FRAGENKATALOG

Hier findest du konkrete Fragen bezogen auf die Abstimmung, die dir bei deiner Meinungsbildung helfen können. Führe ein Selbstgespräch oder noch besser: Diskutiere sie mit deinen Freund*innen oder deiner Familie.  

  1. In welchem Verhältnis werden Kapitaleinkommen und Arbeitseinkommen heute versteuert?

  2. Kann die Annahme der Initiative die soziale Ungleichheit in der Schweiz verringern?

  3. Welche Gründe sprechen dafür Kapitaleinkommen geringer zu besteuern, welche dagegen?

  4. Das reichste Prozent der Schweizer Bevölkerung hat sein Vermögen von 2003 bis 2015 um fast 43% gesteigert. Auf welchen Wegen vermehren reiche Menschen ihr Geld?

  5. Welchen Einfluss hat die Initiative auf den Wirtschaftsstandort Schweiz, je nach Ausgestaltung des Gesetzestextes? Was ist bereits im Verfassungstext definiert, was ist noch offen?

  6. Wer ist auf welche Art betroffen? Was sind die konkreten Auswirkungen für die 1%? Was für die 99%?

6 OUT-OF-THE-BUBBLE-PODCAST

Wir lesen Textbeiträge aus verschiedensten Quellen vor, klären Begriffe und versuchen die gelesenen Inhalte und Argumente gemeinsam zu verstehen. Du darfst dich zurücklehnen und uns dabei zuhören:   

7 ABSTIMMUNGS-HISTORIE

Magst du uns mehr über dein persönliches Abstimmungsverhalten und die damit zusammenhängenden Herausforderungen verraten? Dann mach bei unserer Umfrage mit:

Hilf uns dieses Format zu verbessern:

Dieses Format ist neu. Und wir würden es gerne weiterentwickeln. Mit deiner Hilfe. Also sag uns was du gut findest, was weniger gut und was dir in deinem Entscheidungsprozess noch helfen würde. Wir freuen uns auf dein knallhartes Feedback <3

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