ABSTIMMUNGSTHEMA: PFLEGE-INITIATIVE

META-THEMEN: ARBEIT, SYSTEMRELEVANZ & STAATSREGULIERUNG

Briefwahl bis Dienstag 23.11.2021
Abstimmungstermin Sonntag 28.11.2021

Dies ist ein Prototyp vom Zentrum für kritisches Denken. Unser Wunsch ist es, den kritischen Umgang mit den eigenen Denkweisen zu fördern und die Komplexität unserer Welt aushaltbar zu machen. Alle drei Monate müssen Stimmberechtigte in der Schweiz zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden: Ja oder Nein. Damit sind der direkten Demokratie Polarisierungs-Tendenzen in die Wiege gelegt. Doch die Realität hinter den Abstimmungsthemen ist meist komplexer als die Zuspitzung, die wir in den Arena-Debatten oder in den Kampagnen der Abstimmungs-Komitees erleben. Diese Seite soll dir in deinem Meinungsbildungsprozess rund um die Pflege-Initiative zur Seite stehen und dein Hirn für zukünftige Entscheidungsfindungen trainieren. 

Wir befinden uns mit dieser Seite in der 4. Iteration und freuen uns, über dein Feedback an hi@zfkd.ch

1 SELBSTREFLEXION

Bevor du in deinen Meinungsbildungsprozess startest, gilt es hinzuschauen. In deinen Kopf. Was ist schon da? An Vorannahmen, Haltungen, Tendenzen, Wissen, Nicht-Wissen oder gefährlichem Halbwissen. In anderen Worten: Was wird dich unbewusst beeinfllussen bei deiner Meinungsbildung?

  1. Selbstbeobachtung: Wenn ich binnen 3 Sekunden entscheiden müsste, was würde ich abstimmen? Woher könnte diese Tendenz kommen? Welche Werte oder Haltungen stecken dahinter?

  2. Sprache: Was assoziiere ich mit dem Titel der Initiative – also speziell mit dem Wort «Pflege»?

  3. Fremdbeeinflussung: Wann habe ich das erste mal von dieser Abstimmung gehört? Von wem? Wo? Welche Haltung wurde dabei vertreten?

  4. Persönliche Betroffenheit: Was verändert sich in meinem Leben, wenn die Initiative angenommen wird? Was wenn sie abgelehnt wird?

  5. Weitsicht: Wie habe ich mich bis hier hin informiert? Kenne ich die Argumente beider Seiten?

  6. Offenheit: Wie sicher bin ich mir bereits, was ich abstimmen werde?

      2 VERFASSUNGSSTEXT

      Um inmitten der Argumentationsschlacht nicht die Orientierung zu verlieren ist es unabdingbar, den originalen Abstimmungstext zu lesen. We promise: Der ist meist viel weniger schlimm, als gedacht. 

      Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:

      Art. 117c2 Pflege

      1 Bund und Kantone anerkennen und fördern die Pflege als wichtigen Bestandteil der Gesundheitsversorgung und sorgen für eine ausreichende, allen zugängliche Pflege von hoher Qualität.

      2 Sie stellen sicher, dass eine genügende Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen für den zunehmenden Bedarf zur Verfügung steht und dass die in der Pflege tätigen Personen entsprechend ihrer Ausbildung und ihren Kompetenzen eingesetzt werden.

      Art. 197 Ziff. 123
      12. Übergangsbestimmung zu Art. 117c (Pflege)

      1 Der Bund erlässt im Rahmen seiner Zuständigkeiten Ausführungsbestimmungen über:

      a) die Festlegung der Pflegeleistungen, die von Pflegefachpersonen zulasten der Sozialversicherungen erbracht werden:

        1. in eigener Verantwortung,
        2. auf ärztliche Anordnung;

      b) die angemessene Abgeltung der Pflegeleistungen;

      c) anforderungsgerechte Arbeitsbedingungen für die in der Pflege tätigen Personen;

      d) Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung von den in der Pflege tätigen Personen.

      2 Die Bundesversammlung verabschiedet die gesetzlichen Ausführungsbestimmun-gen innert vier Jahren seit Annahme von Artikel 117c durch Volk und Stände. Bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Ausführungsbestimmungen trifft der Bundesrat innerhalb von achtzehn Monaten nach Annahme von Artikel 117c durch Volk und Stände wirksame Massnahmen zur Behebung des Mangels an diplomierten Pflegefachpersonen.

      Quelle: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/berufe-im-gesundheitswesen/gesundheitsberufe-der-tertiaerstufe/vi-pflegeinitiative.html

      3 GLOSSAR

      Viele Missverständnisse, die uns in Gesprächen begegnen, beruhen darauf, dass wir nicht vom selben sprechen – auch wenn wir die selben Worte benutzen. Jeder von uns verbindet spontan andere Dinge mit bestimmten Begriffen, die nicht mit den gängigen Definitionen übereinstimmen müssen. Unser Glossar zeigt dir, welche Wortbedeutungen du mit deinem Gegenüber klären solltest, bevor du dich auf eine Diskussion einlässt.

      Alle nachfolgenden Definitionen und Erklärungen sind (teils in gekürzter Form) aus den jeweiligen Quellen zitiert.

      SYSTEMRELEVANT

      Als systemrelevant werden Unternehmen, kritische Infrastrukturen oder Berufe bezeichnet, die eine derart bedeutende volkswirtschaftliche oder infrastrukturelle Rolle in einem Staat spielen, dass ihre Insolvenz oder Systemrisiken nicht hingenommen werden können, oder ihre Dienstleistung besonders geschützt werden muss.

      Quelle: wikipedia.org

      ARBEITSBEDINGUNGEN

      Arbeitsbedingungen sind rechtliche und tatsächliche Umstände, unter denen Arbeitsnehmende ihre Arbeitsleistung erbringen. Die Arbeitsbedingungen werden rechtlich vor allem durch Gesetze, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Betriebsordnungen oder Arbeitsverträge gestaltet. Zu den Arbeitsbedingungen gehören unter anderem die Höhe von Löhnen, Arbeitszeiten, Urlaub oder Regelungen bezüglich Mehrarbeit.

      Quelle: wikipedia.org

      DIPLOMIERTE PFLEGEFACHPERSONEN

      Mit diplomierten Pflegefachpersonen sind nach Auffassung der Initiant*innen der Pflegeinitiative Pflegende zu bezeichnen, die über Ausbildungsabschlüsse auf Tertiärstufe verfügen: Dabei handelt es sich einerseits um Abschlüsse an Höheren Fachschulen (Pflege HF) und andererseits um solche an Fachhochschulen (FH) oder universitären Hochschulen (UH) (Bachelor of Science Pflege FH/UH). Synonym für diese Abschlüsse verwenden die Initiant*innen die Begriffe «Diplompflege», «diplomierte Pflegefachpersonen» oder nur «Pflegefachpersonen».

      Quelle: Botschaft des Bundesrates zur Pflegeinitiative

      IN DER PFLEGE TÄTIGE PERSONEN

      In der Pflege tätige Personen bezeichnet alle Pflegenden, ungeachtet dessen, ob sie über einen Bildungsabschluss auf Tertiär- oder Sekundarstufe II, einen Pflegehelferkurs des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) oder über gar keine Ausbildung in der Pflege verfügen.

      Quelle:Botschaft des Bundesrates zur Pflegeinitiative

      FACHKRÄFTEMANGEL

      Als Fachkräftemangel bezeichnet man den Mangelzustand einer Volkswirtschaft, in dem eine bedeutende Anzahl von Arbeitsplätzen für Arbeitnehmende mit bestimmten Qualifikationen nicht besetzt werden kann, weil auf dem Arbeitsmarkt keine entsprechend qualifizierten Fachkräfte zur Verfügung stehen.

      Quelle: wikipedia.org

      DEMOGRAPHISCHER WANDEL

      Der Begriff Demografischer Wandel bezeichnet die Struktur und Entwicklung der Bevölkerung unter Berücksichtigung von Altersstruktur, Geburtenzahlen und Sterbefällen.

      Quelle: wikipedia.org

      SELBSTÄNDIGES ABRECHNEN

      Bisher können Pflegefachpersonen grundsätzlich nur jene Leistungen abrechnen, die von eine*r Ärzt*in angeordnet worden sind.

      Was heisst das in Zusammenhang mit der Initiative?

      Die Pflegeinitiative verlangt, dass der Bund pflegerische Leistungen festlegen soll, die von Pflegefachpersonen in eigener Verantwortungen erbracht und direkt mit der obligatorischen Krankenpflegeversicherung oder anderen Sozialversicherungen abgerechnet werden können. Dazu gehören Bedarfsabklärungen, die Beratung der Patient*innen sowie der Angehörigen im Umgang mit der Krankheit, pflegerische Arbeiten wie das Anziehen von Kompressionsstrümpfen oder die Unterstützung bei der Körperpflege.

      Quelle: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/berufe-im-gesundheitswesen/gesundheitsberufe-der-tertiaerstufe/vi-pflegeinitiative.html und Botschaft des Bundesrates zur Pflegeinitiative)

      Was heisst das in Zusammenhang mit dem Gegenvorschlag?

      Auch der indirekte Gegenvorschlag ermöglicht es, dass Pflegefachpersonen gewisse Leistungen direkt zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abrechnen können. Ein Kontrollmechanismus soll verhindern, dass es zu einer Zunahme an Leistungen und damit zu höheren Gesundheitskosten kommt, die zu einem Anstieg der Krankenkassenprämien zulasten der Bevölkerung führen würden.

      Quelle: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/berufe-im-gesundheitswesen/gesundheitsberufe-der-tertiaerstufe/vi-pflegeinitiative/vi-pflegeinitiative-gegenvorschlag.html

      KOMPTENEZVERTEILUNG BUND UND KANTONE

      Die Schweizer Bundesverfassung hält verbindlich fest, welche Aufgaben Bund und Kantone erfüllen müssen. Die Kantone ihrerseits legen die Kompetenzen für die Gemeinden auf ihrem Gebiet fest. Der Bund ist überall dort zuständig, wo ihn die Bundesverfassung dazu ermächtigt, zum Beispiel in der Aussen- und Sicherheitspolitik, beim Zoll- und Geldwesen, in der landesweit gültigen Rechtsetzung und in der Verteidigung. Aufgaben, die die Bundesverfassung nicht ausdrücklich dem Bund zuweist, fallen in die Zuständigkeit der Kantone. In gewissen Bereichen wie im Bereich der höheren Schulbildung, teilen sie sich die Kompetenzen.

      Die Kompetenzen sind nach dem Subsidiaritätsprinzip auf Bund, Kantone und Gemeinden aufgeteilt. Der Bund übernimmt nur die Aufgaben, welche die Kraft der Kantone übersteigen oder einer einheitlichen Regelung durch den Bund bedürfen.

      Quelle: ch.ch

      VERFASSUNG

      Die Bundesverfassung ist die Verfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Sie steht auf der obersten Stufe des Schweizerischen Rechtssystems. Ihr sind sämtliche Gesetze, Verordnungen und Erlasse des Bundes, der Kantone und der Gemeinden untergeordnet. Sie dürfen der Bundesverfassung daher nicht widersprechen.

      Im Gegensatz zu anderen Verfassungen (z.B. der amerikanischen) wird die Bundesverfassung immer wieder verändert (revidiert). Mittels Volksinitiativen können Änderungen der Verfassung oder die Aufnahme neuer Verfassungsartikel erwirkt werden. Sowohl Teil- wie auch Totalrevisionen unterstehen dem Volks- und dem Ständemehr.

      Quelle: parlament.ch

      VOLKSINITIATIVE

      Die Bundesverfassung kann durch eine Volksinitiative geändert werden. Eine Initiative kann die Form einer allgemeinen Anregung oder eines ausgearbeiteten Entwurfs haben. Von diesen beiden Möglichkeiten kommt in den allermeisten Fällen der ausgearbeitete Entwurf zur Anwendung.

      Auf Bundesebene kann man mit einer Volksinitiative die Total- oder die Teilrevision der Bundesverfassung verlangen, nicht aber die Revision eines bestehenden oder die Einführung eines neuen Bundesgesetzes. Auf Kantonsebene ist es hingegen in verschiedenen Kantonen möglich, mit einer Volksinitiative die Änderung eines Gesetzes zu verlangen. Diese Art Initiative nennt man Gesetzesinitiative.

      Quelle: ch.ch

      INDIREKTER GEGENVORSCHLAG

      Wenn das Initiativkomitee eine Volksinitiative lanciert, kann das Parlament ihr einen direkten Gegenentwurf oder einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberstellen.

      Beim indirekten Gegenvorschlag schlägt das Parlament anstelle einer Verfassungsänderung eine Gesetzesänderung oder ein neues Gesetz vor. Der indirekte Gegenvorschlag erlaubt es den Behörden, auf das Anliegen der Initiative einzugehen, ohne die Verfassung zu ändern. Zieht das Initiativkomitee die Initiative nicht zurück, so tritt der Gegenvorschlag in Kraft, wenn die Initiative abgelehnt wird.

      Quelle: ch.ch

      SOZIALPARTNER

      Zu den Sozialpartnern gehören Arbeitgebende und Arbeitnehmende sowie ihre Verbände oder Vertreter*innen z. B. Gewerkschaften

      Quelle: syna.ch

      In der heutigen Sozialpartnerschaft schweizerischer Ausprägung bedeutet der Begriff  Sozialpartnerschaft die Einigung der Sozialpartner im Rahmen von Gesamtarbeitsverträgen. Die Sozialpartner genießen bei deren Ausarbeitung große Autonomie; der Staat tritt lediglich als Schlichter auf. 

      Quelle: wikipedia.org

      SOZIALVERSICHERUNG

      Die Sozialversicherung ist in der Schweiz die wichtigste Institution der sozialen Sicherung. Sie ist meistens eine obligatorische Versicherung, für die Bewohner*innen besteht also oft eine Versicherungspflicht. Zu den Sozialversicherungen gehören neben der Unfallversicherung (UV) und der Krankenversicherung (KV) unter anderem auch die Berufliche Vorsorge (BVG) oder die Arbeitslosenversicherung (ALV).

      Die individuellen Beiträge sind am Einkommen orientiert und werden in der Regel jeweils zur Hälfte von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden getragen. Einzige Ausnahme bildet die Krankenversicherung, wo einkommensunabhängige Kopfprämien bezahlt werden.

      Quelle: wikipedia.org

      Die nachfolgenden Begriffe definierst du am besten selber mit deinem Gegenüber: 

      • Anforderungsgerechte Arbeitsbedingungen
      • Angemessene Löhne
      • Wertschätzung

       

      4 GRUNDSATZFRAGEN

      Hinter jeder Abstimmung stecken Meta-Themen und wichtige Grundsatzfragen. Häufig werden diese nicht diskutiert, weil sie zu komplex sind oder ein zu grosses Fass aufmachen würden. Wir stellen sie trotzdem, weil alle politischen Entscheidungen, die wir treffen, im Grunde unbewusst oder bewusst auf der Beantwortung dieser Grundsatzfragen beruhen.

      1. Welche Bedeutung hat der Pflegeberuf für unsere Gesellschaft? Welche für mich individuell?

      2. Wann ist ein Beruf systemrelevant? Welche Berufe gehören dazu?

      3. Gibt es Berufe, deren Ausbildungsorte oder Auszubildende finanziell stärker gefördert werden sollten als andere? 

      4. Was braucht es für Arbeitsbedingungen, damit Menschen ihre berufliche Tätigkeit bestmöglich ausüben können?

      5. Welche Berufe sollten privat, welche staatlich organisiert werden?

      6. Gibt es gesellschaftliche Herausforderungen, die es rechtfertigen können, dass der Bund Dinge regelt, die normalerweise von den Kantonen geregelt werden?

          5 ENTSCHEIDUNGSBAUM

          6 HÄUFIGE DENKFEHLER

          Jede Abstimmungsdebatte hat ihre eigenen Denkfehler-Lieblinge. Zum Thema «Pflege-Initiative» werden uns vor allem folgende begegnen. Sowohl in unseren eigenen Köpfen, als auch in der Abstimmungs-Arena. 

          Magst du uns mehr über dein persönliches Abstimmungsverhalten und die damit zusammenhängenden Herausforderungen verraten? Dann mach bei unserer Umfrage mit:

          Hilf uns dieses Format zu verbessern:

          Dieses Format ist neu. Und wir würden es gerne weiterentwickeln. Mit deiner Hilfe. Also sag uns was du gut findest, was weniger gut und was dir in deinem Entscheidungsprozess noch helfen würde. Wir freuen uns auf dein knallhartes Feedback <3

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